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Archiv

06.09.2001
Information Week
von Kerstin Kloss / Markus Bereszewski

IT-Ausgründungen: Bedingt überlebensfähig

Konzerne gliedern ihre IT-Abteilung häufig aus. Die Motivationen sind unterschiedlich, gleich ist die Chance, am freien Markt zu überleben: äusserst gering. Dennoch wächst der Druck auf interne IT-Abteilungen. Neue IT-GmbHs haben keine Chance mehr auf Erfolg – die Geschichte von Debis oder EDS lässt sich heute nicht mehr wiederholen. Das ist jedenfalls die Meinung von Peter Chylla, Vorsitzender der Geschäftsführung von ThyssenKrupp Information Services, zu den IT-Spin-offs großer Unternehmen. »Wir waren wahrscheinlich die letzten in Deutschland, die den Sprung vom internen IT-Dienstleister hin zum marktfähigen Top-Player mit deutlich mehr als 50 Prozent Außenumsatz geschafft haben«, mutmaßte er schon zur diesjährigen Cebit. So Marketing-schwanger diese Aussage auch sein mag, aus der Luft gegriffen ist sie nicht. Denn IT-GmbHs haben nicht nur mit erheblichen Einstiegshürden zu kämpfen. Sie müssen sich zudem – meist völlig unvorbereitet – in einem Markt behaupten, in den derzeit jeder drängt und wo sich etablierte Anbieter gnadenlose Preiskämpfe liefern.

Nun wird zwar nicht jede IT-Abteilung mit dem direkten Ziel ausgegründet, am externen Markt Umsätze und Gewinne zu erzielen. Doch auch eine IT-GmbH, die ausschließlich als interner Dienstleister fungieren soll, muss hohe Hürden nehmen. Denn: »Die Hauptmotivation, die eigene Abteilung an den freien Markt zu bringen ist, dieser bewusst zu machen, was sie eigentlich kostet«, zeigt sich Achner überzeugt. Erst in einem zweiten Schritt sei meist geplant, zusätzlich Umsätze auf dem Drittmarkt zu erzielen. Auch Frank Dzierzon, Geschäftsführer der Clearview Consulting GmbH, weiß aus Erfahrung, dass das Auslagern in eine IT-GmbH in erster Linie der Kosten- und Qualitätstransparenz der erbrachten Services dient. »Die EDV-Abteilung wird zunehmend gezwungen, sich vom Kosten- zum Profitcenter zu entwickeln. Der Druck von den zunehmend anspruchsvolleren internen Anwendern und den immer preisaggressiveren IT-Dienstleistern im Markt ist sehr groß«, beobachtet Dzierzon. Chalons von PAC meint, dass gerade die IT-Töchter den Preiskampf draußen kräftig anheizen, die primär ihren kaptiven Markt betreuen. »Neun von zehn IT-Ausgliederungen sollen freie Kapazitäten auf dem Drittmarkt platzieren«, ist er überzeugt. Da sie ihr Geld durch Aufträge von der Konzernmutter verdienen, können sie extern günstigere Angebote abgeben als Wettbewerber. Das reicht aber nicht, um sich langfristig am freien Markt zu entwickeln.

Probleme intern agierender IT-Spin-offs

Doch egal aus welchem Grund IT-Abteilungen letztlich ausgegründet werden, sie stehen alle vor grundsätzlichen Problemen. In vielen Unternehmen mit eingegliederter IT-Abteilung werden Services häufig unstrukturiert erbracht. »Die klassische EDV war traditionell für alles zuständig. Nun gilt es erstmals herauszufinden, welche Dienstleistungen überhaupt erbracht wurden und diese in ein sauberes Portfolio zu überführen«, erklärt der Clearview-Chef. Anschließend müssen für diese Leistungen marktgerechte Preise gefunden werden, was für eine Abteilung, die bis dato als Kostenstelle fungierte, Neuland ist.

So gibt auch Jochen Herzhoff, Stabsleiter bei WestLB Systems, zu: »Als interner IT-Bereich verfügten wir nicht über die notwendigen Instrumente zur Steuerung eines IT-Unternehmens wie Angebotskalkulation oder Businessplan. Diese Werkzeuge haben wir in internen, bereichsüber- greifenden Teams erarbeitet«. Zwar ist es die Regel, dass sich der Mutterkonzern für eine gewisse Übergangsfrist zu einer Leistungsabnahme verpflichtet. Dennoch gerät der Service-Provider unter Druck, muss er sich doch den Vergleich mit konzernfremden Dienstleistern gefallen lassen – und diese locken derzeit mehr denn je mit brutalen Dumping-Preisen.

Ein weiteres Hindernis stellen die IT-Mitarbeiter selbst dar. Sie müssen den gravierenden kulturellen Wechsel nicht nur verkraften, sondern auch mittragen. Vielfach existierten vor der Ausgründung keine, unzulängliche oder nicht überwachte Qualitätsvereinbarungen. »SLA steht in vielen Unternehmen nicht für Service Level Agreement, sondern für Service Level Announcement der IT-Abteilung, das in keiner Weise überwacht oder mit den Fachabteilungen abgesprochen ist«, gibt Dzierzon zu bedenken. Plötzlich finden sich die IT-Beauftragten aber in der Rolle des Auftragnehmers wieder, dessen Leistungen genau kontrolliert werden. Der ehemalige Kollege, den man fast problemlos vertrösten konnte, wird zum anspruchsvollen und kritischen Kunden, der Leistungen plötzlich einfordern kann. Diesen Wandel zu meistern und den von der Ausgründung betroffenen Mitarbeitern die Angst vor der neuen Situation zu nehmen, stellt eine große Herausforderung dar.

Offene und frühzeitige Kommunikation der Unternehmensführung darüber, was mit der neuen Firma wie erreicht werden soll, ist unerlässlich. Auch gemeinsame Arbeitskreise, in denen Wege diskutiert werden, können den Mitarbeitern die Angst vor dem Ungewissen nehmen. Damit erreicht man aber nur die Mitarbeiter, die prinzipiell bleiben wollen. Die Fluchtrate derer, die die neuen Anforderungen im Rahmen der Ausgründung nicht mittragen wollen, ist aber sehr hoch und liegt fast immer weit über 25 Prozent, in Ausnahmefällen bleibt sogar nur eine Minderheit an Bord. Das Fatale ist: Das ist durchaus erwünscht, solange man die abgewanderten Mitarbeiter durch qualifizierte neue ersetzen kann, was allerdings in der angespannten Marktlage sehr schwierig war und noch ist. Aber eine wirkliche Kundenorientierung ist ohne einen massiven Kulturwandel der »alten Gottheiten« nicht möglich. Hier haben es gerade ausschließlich intern operierende IT-GmbHs nicht einfach, potenziellen neuen Mitarbeitern eine ausreichende Attraktivität zu bieten. »Die besten Mitarbeiter bekommen sie nicht, wenn sie ihnen nur einen Kunden bieten können«, ist auch Chylla überzeugt.

IT-GmbHs am Drittmarkt: Küken zwischen Haifischen

Allein um neues Personal zu gewinnen, lässt sich allerdings kein Unternehmen auf das Abenteuer Drittmarkt ein. Die Hauptmotivation liegt woanders. Sicherlich versuchen viele Unternehmen, ihre Ressourcen und Mitarbeiter am Drittmarkt besser auszulasten. Ob das gelingt, ist aber mehr als zweifelhaft, zumal die Überkapazitäten schon das Ergebnis einer falschen Bedarfsplanung der Vergangenheit darstellen. Da scheint es unwahrscheinlich, dass es die unerfahrenen Anbieter schaffen, große Aufträge richtig zu dimensionieren. Das richtige Maß zur Abdeckung von Spitzenzeiten einerseits und einer wirtschaftlich tragbaren Durchschnittsauslastung andererseits zu finden, ist alles andere als trivial.

IT-Ausgliederungen, die Geschäfte auf dem »freien Markt« machen wollen, stehen nicht nur den gleichen Problemen gegenüber wie die rein intern agierenden, sie müssen noch weit schwierigere Herausforderungen bewältigen. So erlangt beispielsweise das zu bildende Portfolio noch größere Bedeutung, da es nicht nur transparent und verständlich, sondern zudem marktfähig sein muss. Sicherlich ist es nicht einfach, aus den auf ein bestimmtes Unternehmen zugeschnittenen Services ein Angebot zu entwickeln, das für eine möglichst breite Kundschaft interessant sein kann. Deshalb versuchen viele IT-Spin-offs zunächst ihr Glück im angestammten Markt des Mutterkonzerns. Sicherlich bringen sie dort das größte Know-how auf. Ob sich allerdings ein Unternehmen finden lässt, das etwa geschäftskritische Anwendungen an die IT-Tochter eines direkten Konkurrenten auslagert, darf trotz aller vollmundigen Coopetition-Bekenntnisse angezweifelt werden.

Marktfähig muss natürlich auch die Preisgestaltung sein. Und die ist derzeit massiv unter Druck, da die Nachfrage in vielen Bereichen wie zum Beispiel bei produktnahen Dienstleistungen stark zurückgegangen ist. »Einige Dienstleister liefern sich derzeit wahre Preisschlachten. Es ist nicht mehr nachvollziehbar, mit welchen Dumping-Angeboten die ins Feld ziehen«, beklagt der TKIS-Chef die Situation. Oft trifft die IT-GmbHs der eigene Pfeil: Sobald die Mutter das Küken aus dem Nest wirft und die eigene Brut nicht mehr länger als Preferred Supplier mit garantiertem Umsatz durchfüttert, versetzen die zuvor selbst angebotenen Niedrigpreise dem Nachwuchs oft den Todesstoß.

Vor diesem Hintergrund erscheint das Ziel, eine IT-Tochter zur Umsatz- und Gewinnmaximierung auszugliedern, geradezu absurd. »Dieser Plan ist von Wünschen und falschen Vorstellungen geprägt: Viele unterschätzen den Aufwand und das Marktumfeld gnadenlos«, berichtet Dzierzon aus seiner Beratungserfahrung.

Ungewollter Rückzieher

Unternehmen, die ihre IT-GmbHs unwissend und unvorbereitet ins kalte Wasser geschmissen haben, mussten vielfach schon erkennen, dass sie von Illusionen getrieben wurden und haben die externen Aktivitäten aufgegeben oder diesbezügliche Ansprüche zumindest inoffiziell zurückgefahren. Vielfach ist gar keine klare Entscheidung gefallen, ob die Tochterfirma auf dem freien Markt nach vorne kommen soll. Es kommt auch vor, dass den Muttergesellschaften das nötige Sales-und-Marketing-Budget fehlt oder einfach auch der lange Atem. Ein normaler Akquisitionszyklus dauert bei größeren Aufträgen schon knapp ein Jahr. Dieser verlängert sich in der Aufbauphase eines neuen Unternehmens, sodass es schon mal zwei Jahre dauern kann, bis der erste externe Auftrag eingeheimst wird. Stattdessen versuchen die Mütter, die Vorteile, die sich aus der Ausgliederung für den konzerninternen Geschäftsverlauf ergeben können, besser auszuschöpfen. »Unsere Vorgaben am Drittmarkt sind sehr moderat, dafür ist der interne Druck zur Effizienzsteigerung entsprechend hoch«, beschreibt Herzhoff den Zwang zum »internen Unternehmertum«. Die Einsicht, dass die Chancen am Drittmarkt derzeit gegen Null tendieren, eine ausgelagerte IT-GmbH als Konzern-Dienstleister aber dennoch Sinn machen kann, scheint sich durchzusetzen. Für den Mummert-Vorstand ist das keine Frage: »Die Kosten- und Qualitätstransparenz, die sich aus einer Auslagerung ergibt, ist ein Wert an sich, der in aller Regel auch den zusätzlichen betriebswirtschaftlichen Overhead und zusätzliche Auftragsprozesse rechtfertigt«. Zudem sei es fraglich, ob das auslagernde Unternehmen überhaupt ein Interesse daran haben kann, dass sich die IT-GmbH erfolgreich bei Dritten etabliert. Schließlich sei es in so einem Fall normal, dass der IT-Dienstleister seine qualitativ hochwertigen Ressourcen primär extern verkauft, und den Mutterkonzern vernachlässigt.

Zu dem »Wert an sich« gesellen sich aber noch weitere potenzielle Vorteile. »Als interne Abteilung ist man für IT-Spezialisten weniger attraktiv als eine Gesellschaft mit IT als Kerngeschäft; zudem hat man keine Chance auf Partnerschaften mit anderen Dienstleistern oder Herstellern. Die Möglichkeiten, spezielles Know-how zu generieren oder auszutauschen sind deshalb viel geringer«, erläutert der Stabschef der WestLB Systems. Außerdem könne man nur als externe Einheit an Interessenverbänden wie etwa Einkaufsgemeinschaften partizipieren und damit Kosten sparen.

Der Trend zu IT-GmbHs ist vor allem in Deutschland ungebrochen. »In keinem anderen Land gibt es so viele IT-Ausgliederungen wie hier«, ist Chylla überzeugt. Tatsächlich ist die Liste schier endlos, von Debis über Dregis, Freudenberger IT bis hin zu TKIS und den bevorstehenden Post- und Bayer-Ablegern. Vor allzu euphorischen Erwartungen sei aber gewarnt. Am Drittmarkt haben Ausgründungen derzeit bestenfalls in Nischen eine echte Chance – zu groß ist die Zahl etablierter Anbieter und zu gnadenlos der Preiskampf, als dass ihn ein neuer Player ohne massive und jahrelange Subvention durch die Muttergesellschaft überleben könnte. Chalons schätzt, dass es in Deutschland mehrere Tausend IT-Dienstleister gibt. Eine genaue Angabe falle schwer, da die Mehrzahl weniger als zehn Mitarbeiter beschäftige. »Bei uns ist der IT-Servicemarkt wegen der dezentralisierten Wirtschaft und einem breiten Mittelstand stärker zersplittert als in den USA, Großbritannien oder Frankreich«, sagt der PAC-Analyst. Und sollten Neue ihre geringe Chance nutzen, ist es wahrscheinlich, dass sie von der bevorstehenden Konsolidierungswelle erfasst werden.

Und der Haifisch, der hat Zähne

Fest steht, dass mit der Auslagerung der IT in ein eigenes Unternehmen die Services professioneller erbracht und verrechnet werden. Das übt auch Druck auf die verbliebenen internen Abteilungen aus. Zum einen, weil die gestiegene Qualität der Ausgründungen Anlass zur Nachahmung gibt. Zum anderen, weil durch die am Drittmarkt Operierenden der ohnehin schon vergebene Markt noch enger wird und die Preistreiberei fortschreitet, der sich auch »Interne« kaum entziehen können. Und schließlich wird das eigene Unternehmen als Anwender immer anspruchsvoller und kompetenter und somit auch fordernder. Bald stellt sich womöglich nicht mehr die Frage, ob, sondern nur noch wie die IT ausgelagert und professionalisiert wird - als Spin-off, in eine Betreibergesellschaft mit einem diesbezüglich erfahrenen Dienstleister oder direkt im klassischen Outsourcingmodell, dem Marktauguren immer noch Wachstumsraten von rund 15 Prozent vorhersagen.

IT-Abteilungen, die nicht von den Plänen ihrer mit spitzem Stift rechnenden und über Kernkompetenzen nachdenkenden Vorständen überrollt werden wollen, sollten sich Gedanken machen, wie sie ihren Chefs mit größerer Professionalität etwas Wind aus den Segeln nehmen können.

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